LIO-REPORT – Live dabei

Samstagnachmittag im Lehrerzimmer. Man bereitet den bevorstehenden „Tag zur Ehrung des Schulleiters“ vor. Je nach Fachrichtung haben sich einige Lehrer und Lehrerinnen zu Komitees zusammengefunden, in denen jeweils verschiedene Programmpunkte erarbeitet und ausgefeilt werden sollen.

Geschäftiges, aber verhaltenes Geflüster ist von den Tischen zu hören, an welchen die Beteiligten hochkonzentriert über ihre Aufzeichnungen gebeugt sind, während Frau Leib schweigend umhergeht und Schnittchen und Wein reicht.

Hören wir doch mal, was die einzelnen Gruppen gerade so diskutieren.

Ah - hier am Tisch sitzen schon Herr Abel, Frau Pfister und Herr Zarniko, die mit der Aufgabe der musikalischen Untermalung der Veranstaltung betreut sind. Mit viel Einfühlungsvermögen ist Frau Pfister damit beschäftigt, Zarniko von seiner Idee abzubringen, ein Klaviersolo vorzutragen.

Abel: Also. das Programm dauert voraussichtlich nur drei Stunden. Wir haben pro Stück mehr als vier Proben, das wird ja langsam unprofessionell! (Zu Zarniko gewandt) Vielleicht könntest du ja noch was machen, mit dem vollen Blech oder so...

Nun ja – wir schauen so lange mal weiter...

Ja da schau einer mal an! Auch der Elitebund der Physiker und Mathematiker hat sich zu einem Komitee zusammengeschlossen: Herr Reifenkugel, Herr Fiedler, Herr Hauptmann, Herr Lange und Herr Engel arbeiten eifrig daran, ein besonders eindrucksvolles, publikumswirksames Experiment zu finden.

Engel: Also die besten Experimente sind doch die, wo ein Birnchen durchbrennt oder so. Die behält man sein Leben lang.
Lange: (wirft ihm einen verständnislosen Blick zu, beginnt sofort, geschäftig, in einem der vielen vor ihm liegenden Blicher zu blättern, das den Titel trägt: „Was ist was: Physikalische Experimente“; scheint, nach dem verwirrten Gesichtsausdruck zu urteilen, nicht zu finden, was er sucht und greift zu einem anderen Exemplar, das da heißt „Physik: Grundwissen der Förderstufe“)
(Schweigt)
Fiedler: Joh – ’nöe?!
Hauptmann: Jajajajajanenenejajaja – das is ganz wichtich!!

Das scheint ja noch zu dauern hier. Wie sieht es denn dort drüben aus, im „Club der Toten Dichter“? Hier diskutieren Herr H. Wagner, Frau Sablik, Herr Heyne, Herr Schoffer und Frau Bachmann miteinander. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, ein feierliches Gedicht zu schreiben und sind ganz offensichtlich bereits mitten drin.

Bachmann: Also ich weiß nicht, aber für meinen Geschmack ist der Satz immer noch zu lang. Wenn man nicht kurz und prägnant formuliert, versteht das keiner.
H. Wagner: Ja, aber Leutchen – was sollen wir denn noch kürzen? Der Satz besteht doch schon aus nur noch vier Worten...
Bachmann: Könnte man dann nicht wenigstens die sexuelle Komponente ein bißchen besser...
Sablik: (gereizt) Da fällt mir ein Zitat von Brecht ein: „Doch die allerdümmsten Kälber sind wir selber.“
Schoffer: Wo wir gerade beim Reimen sind: Wir hatten mal ein Abi-Motto an dieser Schule, das hieß „Abitur ist machbar (Kunstpause, bedeutungsschwerer Blick in die Runde), Herr Nachbar“. Und ich finde, das stimmt in gewisser Weise...

Wer bei Schoffer Deutsch hatte, kennt diese Geschichte ja nun gut genug, wer nicht bei ihm hatte, hat auch nichts verpaßt, so daß wir uns das jetzt nicht antun müssen. Herr Heyne ist wohl auch unserer Meinung, denn er packt demonstrativ in aller Ruhe seine Zeitung aus. Aber... was ist denn das??? Kann es sein – liest Herr Heyne die FAZ? Das muß sofort nachgeprüft werden! Schauen wir doch mal hinter die Kulissen... Na bitte! Es ist ja doch die BILD-Zeitung, bloß getarnt vom Titelblatt der Frankfurter. Die Welt ist also noch in Ordnung.

Damit können wir jetzt beruhigt einen Blick zu den Gemeinschaftstschunde, äh, -kunde- und Geschichtsexperten werfen, welche da wären Herr D. Wagner, Herr Hirschhäuser, Frau Schmidt, Herr Sähn und Frau Meyer-Jaeger. Offensichtlich ist die eigentliche Aufgabe noch nicht ganz klar. Die erste Entscheidung hierüber scheiterte an einem Einwand Frau Meyer-Jaegers, die zunächst das völlig verblüffte Komitee über alle notwendigen Paragraphen hinsichtlich einer gültigen Mehrheitsentscheidung informierte und anhand dieser deutlich klarstellte, daß auf die vorliegende Art und Weise keine rechtskräftige Entscheidung gefällt werden dürfe. Es scheint auch, als habe man dieses Thema vorerst beiseite gestellt, denn was man von hier so hört, hat wohl wenig mit dem „Tag zur Ehrung des Schulleiters“ zu tun.

D. Wagner: Also - folgende Rechenaufgabe: Was gibt das: Zwei Polizisten, vier totgeschossene Hasen, ein Kommunist, ein Zahnarzt und ein Vegetarier?
Fragende Gesichter, Schmunzeln, Schulterzucken.
D. Wagner: Na, das ist doch ganz klar: Ein Polizist gibt Acht, zwei Polizisten geben also sechzehn, ’ne? Gut. Was macht man mit toten Hasen? Die zieht man ab! Also ziehen wir die vier totgeschossenen Hasen ab - macht dann zwölf. Und der Kommunist? Der will immer alles teilen. Teilen wir also durch zwei, gibt sechs. Jetzt kommt der Zahnarzt, der zieht die Wurzel, womit wir Wurzel aus sechs hätten. Nun ist aber noch der Vegetarier da und der?? Na, der ißt die Wurzel auf!!! Gibt also Null.
Allgemeines Gelächter, besonders bei Hirschhäuser.
Sähn: Na, Ingo, so ausgelassen heute?
Hirschhäuser: Tscha, Kinners, ich bin gut drauf! Das sach ich auch ganz offen, also so ehrlich sollte man sein, da steh ich auch voll und ganz dazu...

Ähm, ja... ich denke, das können wir uns schenken.

Nun bleiben nur noch die Englischfreaks, die an einem Theaterstück basteln. Es herrscht bereits sehr ausgelassene Stimmung, deren Ursache nicht klar erkennbar ist. Woll’n doch mal hören, was hier so witzig ist.

Ah – man fragt sich Vokabeln ab.

Weber: Marienkäfer?
Alt: Ladybird.
Weber: (schlägt sich lachend auf die Schenkel) Falsch, Mariah Carey!

Während die Gruppe, der übrigens ansonsten noch Herr Moritz, Frau Franz-Heußner und Frau DOKTOR Hauschild angehören, in lautes Gelächter ausbricht, tönt auf einmal ein ohrenbetäubendes Krachen durch das ganze Gebäude. Vielleicht hätte man nicht gerade Herrn Knocke die Vorbereitung des Feuerwerkes überlassen sollen...

 

Einige Stunden später:

Ja, hier im Lehrerzimmer steigt die Stimmung mehr und mehr! Mittlerweile hat irgendwer die Reste der letzten Faschingsparty gefunden, so daß jetzt Konfetti und Luftschlangen den Boden bedecken.

Mit verzweifeltem Kopfschütteln krabbelt Herr Schöwel auf dem Boden herum und versucht, die kleinen Papierfetzen per Hand zu beseitigen.

Schöwel: Igitt! So viel Konfetti! Konfetti macht Dreck!
Kurz: (hilfreich herbeieilend) Nicht doch! Mit der Hand! Es gibt doch jetzt den Dampfreiniger! Ich war da neulich bei der Verbraucherzentrale und habe mich erkundigt!

Ach! Die Geschichte wieder...(„Ich sag ja nur: Dampf, nicht wahr, Frau Kurz?“)

Wer schreit denn da drüben so? Oh, aus irgendeinem Grund sind Herr Heyne und Herr Sähn aneinandergeraten. Man hat schon das kollegiale Du unterschlagen...

Heyne: Sie – Sie – kaukasischer Kreidegreis!!!!
Sähn: Na, Sie sind ja scheinbar voll im BILDe!!!!
Heyne: Nun, woll’n doch mal SÄHN, wer stärker ist!!

Oh oh, das sieht aber nicht gut aus... Kann nicht mal jemand eingreifen? Wo ist denn der Sheriff? – – – Ingo! – – – Ingo? – – – Wo isser denn? Hirschi! Ah, da sitzt er ja, bei Herrn Richter. Er scheint gerade etwas sehr wichtiges zu erläutern.

Hirschhäuser: Weißt de, Rudi, in erster Linie bin ich Mensch. Echt. In allerallererster Linie. In zweiter Linie bin ich Familienvater und in dritter Linie Lehrer.
Richter: Das hast du heute schon fünfmal erzählt...

Jaja, so ist das.

Inzwischen hat sich die Gruppe der Englischlehrer deutlich verkleinert, so daß nur noch Herr Alt und Frau Hauschild übrig geblieben sind. Wo könnten denn Herr Moritz und Frau Franz-Heußner... oh, ’tschuldigung... ist ja auch egal, wo sie sind.

Alt: Jo, Doktorchen, und dann muß noch rein: I have nothing to offer but blood, sweat, toil and tears.
Hauschild: Jo waischt, i hätts jo lihper bairriesch...

In diesem Moment nähert sich schwankend Herr Abel, ein Faschingshütchen aus rosa Pappe hängt ein wenig schräg auf seinem Kopf.

Abel: (mit dirigierenden Bewegungen in der Luft herumfuchtelnd) Ja, Wänä, das ist gut: Beinhart wie’n Schoffer, beinhart wie’n Flasch Giar, beinhart geht das ab hier...

Ah ja...
Ihm folgt lachend Frau Hackenberg, ein kleines Plastikkistchen in der Hand.

Hackenberg: Warte doch mal, ich möcht’ gern mal einen Streßtest mit dir machen...

Obwohl Herr Abel deutlich zeigt, daß er daran nicht sonderlich interessiert ist, indem er sein Tempo verstärkt, läßt Frau Hackenberg sich nicht von ihrer Idee abbringen und öffnet kichernd das Gefäß, aus dem nun hunderte von kleinen Spinnen krabbeln und sich im Nu im Raum verteilen.

Beim „Club der Toten Dichter“ scheint man weiter gekommen zu sein.

Bachmann: (leicht angesäuselt) Oder wie wär's damit:
     Doch, zum Glück, Herr Appenheimer
     Kennt ja seine Pappenheimer?
Wagner: Ach Leutchen...
Bachmann: Oder hier, jetzt hab ich’s:
     Wer reitet so spät und auch so wild?
     Es ist der Heyne mit seiner BILD!

Offensichtlich finden Frau Bachmanns Reimchen keinen allzugroßen Anklang bei den Kollegen... Viel lustiger ist ja auch das Bild, das sich im Hintergrund bietet: Während Herr Frommelt planlos durch die Gegend stolpert, schwebt Herr Wach mit einem versunkenen Lächeln gemächlich vorbei.

Mittlerweile hat Frau Meyer-Jaeger Herrn Sähn das Gesetzbuch über den Kopf gezogen und somit den Streit beendet. In all diesem Chaos läuft ganz verzweifelt Frau Leib hin und her, auf der Suche nach den verschwundenen acht Weinflaschen. Vielleicht sollte ihr jemand den heißen Tip geben, unter dem Tisch dort drüben nachzusehen, wo Herr Thomas und Herr Drese sich mit hochroten Köpfen die Bäuche vor Lachen halten. Sie sind ja eigentlich in keinem Komitee, aber wenn’s was zu trinken gibt...

Naja, ihre Freude wird sich bald trüben, da nämlich Herr Heyne und Herr Hauptmann begonnen haben, mit einer leeren Dose Fußball zu spielen und sich soeben genau diesen Tisch als Tor ausgeguckt haben.

Nun, so wie die Sache aussieht, wird das heute nichts mehr mit der Vorbereitung für den „Tag zur Ehrung des Schulleiters“. Verziehen wir uns lieber heimlich, still und leise. Das letzte, was wir im Augenwinkel wahrnehmen, während wir sanft die Tür zuziehen, sind Herr Fiedler und Herr Alt, die mit den Badmintonschlägern von Frau Vonholdt sowie einem Apfel vergeblich bemüht sind, Tennis zu spielen. Hartes Schicksal für die Badmintonschläger...

Nina Merzenich


 

Ma: „Früher habe ich die ganzen Lehrer immer vor mir gehabt und konnte sie karikieren. In der Konferenz sieht man immer nur die Wurschtköppe von hinten. Lauter graue Köpfe – wie Esel.“

 

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