Frommer Andrang beim Klo

Vorweg eine kleine Einleitung: FFEM – klingt wie FSME und ist eine Krankheit. Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität, Friede sei mit euch. Alle amtlich Gereiften, ob mit (symbolträchtigem, man denke an gewisse Wahlplakate) Bart, geilem Arsch, Streber-Qualitäten oder Hinterbänkler-Vergangenheit, eint ein hessenweites Band der Brüderlichkeit (Schwesterlichkeit bzw. BrüderInnen, na ja, dann lieber eine patriarchal-autoritative Formulierung).

Freitag, 5. Mai 1995 12 30 Uhr (Ende der schriftlichen Prüfungen, Anm. d. Verf.), ein kurzer Blick auf die Schulhöfe der hessischen Bildungsanstalten genügt, um die Diagnose zu stellen: Die FFEM, auch allgemeine verBrüderungs-Imtiative (ABI) genannt, ist ausgebrochen. Zeit bis zum Auftreten aller Symptome: Zwei Flaschen Bier.

Aber eine Ebola ist diese Krankheit nicht: Jedes Oberstufen-Mitglied („Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“) konnte während der Inkubationszeit, die etwa im Februar begann, ahnen, was da kommen würde: Aufmerksamkeit, Betragen, Fleiß, Ordnung hätten wieder in die Zeugnisse gehört! Denn diese „Tugenden“ machen sich nach einer Infektion zunehmend rar, an ihrer Stelle dockt das FFEM-Virus an. Der Schleimi-Banknachbar, dem man spinnefeind war, wird zum „Kameraden“. Die spitzgesichtige Notenspiegel-Maus aus der ersten Reihe („Ich brauch’ den einfach zum Vergleich“) ist eigentlich voll in Ordnung. Die Lehrmaschine mit den Professeuse-Allüren (=>Vorlesungen), die Leerkraft mit dem obligaten Lösungsbuch ist plötzlich ganz lieb, süß etc. Man könnte sich duzen, und die m den vergangenen Jahren beobachteten Krankheitsverläufe bestätigen diese Ahnung.

Es ist einfach paradox, wie unvermeidlich jedes Jahr dieselben Szenen ablaufen: Eine Horde von frisch abiturierten, gutgelaunten, lebensoffenen jungen Menschen feiert ein Volksfest auf dem Schulhof; einen Spender für den nächsten Kasten zu finden, ist kein Problem. Zwischendrein springt der nicht weniger gut aufgelegte Lehrkörper. Vielleicht werden bei dieser Gelegenheit wichtige Seilschaften geknüpft, die sich noch auszahlen werden (Der Ehemaligen-Club wirbt mit dem Spruch „Auch ehemalige Liebigschüler sollten besser zusammenhalten!“).

Soweit die Einleitung. Überleitung:

Vielleicht kann der FFEM-Bann gebrochen werden, wenn wenigstens ein Artikel der ABI-Zeitung nicht „auf Linie“ ist: Ich möchte das Forum dieser Zeitung für einige Anmerkungen zu einem besonderen Phänomen der Liebigschule nutzen.

Allgroßpäuslich herrscht im C-Haus, gegenüber „der Café“ und neben dem Klo, frommer Andrang. Fast unbemerkt trifft sich hier eine Gruppe, die für Klassenarbeiten ein ganz besonderes Doping hat. Kaum ein Treffen (ohne Schulhoflärm und auf Polstermöbeln) ohne Gebet um gute Noten. „Gott, xy schreibt jetzt eine Arbeit. Laß xy erkennen, worauf es in der Aufgabe ankommt“. Die Imagination eines starken Verbündeten stärkt das Selbstbewußtsein: Die Arbeit wird gut („Gott hat geholfen“).

Oder, O-Ton: „Lieber Gott, ich habe ein Snowboard für 150 Mark im Angebot gesehen. Bitte sag’ mir, ob ich es kaufen soll.“ Der Stil verrät. „Du brauchst gar keine Andacht hier zu halten, wir kommen nämlich alle aus einer Gemeinde.“ Das schweißt zusammen, da braucht man nicht mit Teufelszeug wie historisch-kritischer Methode zu kommen. Ein Schwall von Wortgläubigkeit fegt einen zur Tür hinaus. „Was in der Bibel steht, das stimmt.“

Schade, daß es immer wieder Menschen gibt, die die großartige Vielseitigkeit und Verschiedenheit biblischer Überlieferung nicht kennenlernen wollen, die sich stattdessen auf ein paar „Kemsätze“ zurückziehen. Die ihrem Gott nicht zutrauen, Anfragen der Vernunft standzuhalten, wohl aber, Einkaufstips zu geben. Und die allen, die anders glauben als sie, jedes Heil absprechen (Leider gehört Mt 7,1 nicht zu ihrem Spruchsammelsurium) und daher von „Bekehrung“ reden, wenn es ihnen gelungen ist, jemanden für „ihre Gemeinde“ zu gewinnen (nachzulesen im CSK-Rundbrief 10/94).

Bei aller Toleranz, womit verdienen sich diese Bibelfesten ihren Pausen-Komfort? (Wenn sie wenigstens für alle Schüler gute Noten erbeten würden!) Vielleicht haben sie starke Verbündete (Unterrichtsthema: Schöpfungstheoretiker und Evolutionstheoretiker – ein Vergleich; Umfrage nach dem Halbjahr: „Haben Sie sich vom Unterricht beeinflussen lassen?“). Oder vielleicht ist noch niemandem eine bessere Verwendungsmöglichkeit für gewisse Räumlichkeiten eingefallen.

Raimund Wirth (13PH)

 


 

Eg: „Wie muß der Finkel Phi... äh... Winkel Phi jetzt sein?“       Eg: „So schwingt die Zaite vom Klafier...“
     
Sch.: „Und was ist der Kreis mit dem Strich durch?“
Eg: „Das ist q. Groß Phi – es gibt auch Klein Phi...“
     [Allgemeines Gelächter.]
Eg: „Das ist ein griechischer Buchstabe!
  Um den Unterschied zwischen Licht- und Schallwellen zu verdeutlichen:
Eg: „Sie sehen jetzt also – bei Brechung des Lichtes erkennt man da jetzt ganz deutlich einen roten und einen blauen Streifen. Das könnte bei Schall nie passieren.“
Zu stehenden Wellen:
Eg: „Wenn ich den Stab jetzt auf den Boden werfe...“
     [KRACH]
Eg: „Oh, jetzt ist er kaputt.“
  Sch.: „Das Seil ist zu kurz...“
Eg: „Das ist zu lang – ja, richtig.“

 

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